17. Der Bayernstamm im altdeutschen Schrifttum.
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Als da nichts nicht war der Enden und Wenden,
Und da war der eine allmächtige (Bott,
Der Männer mildester, und da waren auch manche mit ihm Gute Geister." . . .
Diese neuen Eingangsverse eines stabreimenden Gedichtes über den Anfang aller Dinge, mögen sie nun altsächsischen Ursprungs sein oder nicht, fanden jedenfalls in Bayern, vielleicht zu St. Emmeram in Regensburg, ihre Aufzeichnung und wurden in dem bayerischen Kloster Wessobrunn auf die Nachwelt gebracht. Aber auch eiue zweifellos selbständige Leistung steuert der Bayernstamm in so früher Zeit zu dem Schatze der deutschen Dichtung bei, das in den kraftvollen Klängen der altbayerischen Mundart gehaltene, in markiger Schilderung sich ergehende prophetische Gedicht vom Ende aller Dinge, Muspilli, das zu Regensburg, dem Sitze Ludwigs des Deutschen, in der nächsten Umgebung des Königs, vielleicht gar von ihm selbst niedergeschrieben ist. Und nicht nur die alte Römerstadt, der Fürstensitz der Arnulfinge und der Karlinge, war Mittelpunkt literarischer Bestrebungen, auch eine der kirchlichen Zentralen des Bayerlandes entfaltete nachweisbar eine nicht unwichtige schriftstellerische Tätigkeit. Im Freifinger Petrnslied, um minder Bedeutendes beiseite zu lassen, ist uns das älteste Beispiel geistlichen Volksgesanges ans deutschem Boden erhalten, eine Art Wallfahrtslied ober ein Bittgesang an den heiligen Petrus, dessen Fürsprache bei Gott erfleht wird.
Als weiterer Beleg für die schriftstellerische Betätigung des geistlichen Standes in Bayern sei die Übersetzung des Hohenliedes durch den gewandten, ehrgeizigen und weltlich gesinnten Abtwilliram von Ebersberg genannt, der dem großen Schulleiter von Sankt Gallen, Notker dem Deutschen, noch am nächsten kommt ohne ihn übrigens.zu erreichen.
Inzwischen hatte sich neben der geistlichen auch eine ausgesprochen weltliche Richtung im Schrifttum unseres Volkes Bahn gebrochen. Ihr gehört an „der älteste erfundene Roman der europäischen Literatur, der erste Ritter-roman der Weltliteratur", wie Wilhelm Scherer das Gedicht bezeichnet, das um 1024 in dem bayerischen Kloster Tegernsee in lateinischen Hexametern verfaßte Epos Ruodlieb, das uns die früheste Ankündigung des erwachenden Minnesangs in dem lateinisch-deutschen Liebesgruß überliefert hat:
„Melde ihm, Bote, von mir aus treu ergebenem Herzen Soviel Liebes (liebes) als nun auf Bäumen sprosset des Laubes (loubes), Soviel als Liederwonne (wunna) der Vögel, künde ihm Minne (minna), Soviel als Gras und Blumen ersprieszen, entbiet ihm der Ehren!"
Und wie beim Rnodlieb ein geistlicher Verfasser sich einen weltlichen Stoff gewählt hat, so übertrug wiederum ein Geistlicher das nationale Heldengedicht der Franzosen ins Deutsche und zwar war es wieder ein bayerischer Dichter, der pfaffe Kuonrät, der am Hofe Heinrichs des Stolzen (1126—1138) zitrcgens-burg das deutsche Rolandslied schuf. Derselbe Konrad scheint auch der
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Extrahierte Personennamen: Emmeram Ludwigs Notker Wilhelm_Scherer Wilhelm Heinrichs Konrad
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27. Eine Festschule der Meistersinger.
die sagenhafte Überlieferung ohne sich um geschichtliche Widersprüche zu kümmern weiter berichtete.
„Es waren teils Gelehrte teils Ritter und Bürger. Einer war ein Glasbrenner, einer ein Schmied, einer ein Musikant, einer ein Fischer, einer ein Leiler; aber von diesen ist nichts weiter zu erzählen, desto mehr aber von dem Ritter Wolfram von Eschenbach, von Nikolaus Klingsor, der freien Künste Magister, von Walter von der Vogelweide, von Heinrich von Ofterdingen aus Eisenach und von Heinrich Franenlob aus Meißen, der heiligen Schrift Doktor zu Mainz. Dieser erhob mit unsterblichen Gesängen der Frauen Schönheit und Sittigkeit und zum Dank trugen ihn dieselben in Mainz zu Grabe, denn nicht dem Lebenden allein sondern auch dem Toten sollte ihre Tugend offenbar werden. Im Dom zeigt man noch seinen Leichenstein, den die Frauen mit Lränen und Wein benetzten. Von ihm leiten wir unsere Kunst her; denn er stiftete einen Verein von Dichtern und Freunden des Singens, 'unterrichtete «Lchüler und die Schüler wurden wieder Meister und so bis auf den heutigen Tag."
„Set, so ist es," fuhr wohl ein anderer fort; „wir sind Bürger und Handwerker und treiben nebenbei die Kunst; zu Siugergesellschafteu vereinigt haben wir unsere Regeln und richten uns nach den Vorschriften unserer löblichen Zunft. Wer die Kunst erlernen will, der geht zu einem Meister, der wenigstens einmal in der Singschule den Preis gewann, und dieser unterweist
ihn unentgeltlich. Er lehrt, was es heißt zur Ehre der Religion singen, und
weiht ihn ein in die Geheimnisse der Tabulatur, wie wir die Gesetze unserer Lingkuust nennen. Hat er sich wohlgehalten, die Lehrsätze und eine ziem-liche Anzahl von Tönen, insonderheit die vier gekrönten, begriffen, so wird er auf der Zech oder in dem Wirtshaus, wo die gewöhnlichen Zusammenkünfte geschehen, gemeinlich am St. Thomastage, der Gesellschaft durch den Lehrmeister vorgestellt mit der Bitte ihn aufzunehmen. Darauf stellen die „Merker" eine Prüfung mit ihm an und erforschen, ob er ehelicher Geburt, stillen und ehrbaren Wandels sei und die Singschule stets besucht habe; sie machen eine Probe mit ihm, ob er die Kunst genugsam gelernt und wisse, was es mit den Reimen nach Zahl, Maß und Bindung für eine Beschaffenheit habe, ob er mit der gehörigen Zahl von Tönen bekannt sei und im Notfälle ein Lied
„merken" sönne. Man gibt ihm dabei im Singen sieben Silben vor; wenn er darüber vergingt, kann er nicht ausgenommen werden, gelingt ihm aber die Probe, so wird sein Wunsch gewährt. Feierlich gelobt er der Kunst stets treu zu sein, die Ehre der Gesellschaft wahrzunehmen, sich stets friedlich zu betragen und kein Meisterlied durch Absingen auf der Gaffe zu entweihen.
Dann zahlt er das Einschreibegeld und gibt zwei Maß Wein zum besten. Hat er sich eine Zeitlang auf den Schulen zur Zufriedenheit der Meister hören lassen und auch sonst untadelhaft verhalten, kann er um die Freiung auf den Ätuhl anhalten, dal; er auf offener Singschule freigesprochen und für einen
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17. Der Bayernstamm im altdeutschen Schrifttum.
bildet, zeigt die Überlegenheit dieses größten dichterischen Vertreters des ganzen Bayernstammes am schlagendsten: was mißgünstige Nachbarn den Bayern nachsagen mochten, eine gewisse Unbeholsenheit im Auftreten, gerade das benutzt der Dichter um die Tapferkeit seines Stammes in Helles Licht zu rücken. Aber auch sonst vergoldet ihm die menschenfreundlich-heitere Grundstimmung seines Wesens das ganze Leben und verleiht seiner Darstellungsweise wie seiner Sprache einen eigenen Reiz, eine Frische, eine Ursprünglichkeit und Anschaulichkeit, durch die sie hoch über der gedaukenblasfen Ausdrucksweise anderer höfischer Dichter steht. Es kam Wolfram zugute, daß seine bayerische Heimat weit genug von Frankreich, der Wiege und dem Musterland höfischen Wesens, ablag um nicht so stark von dorther beeinflußt werden zu können wie das Rheinland und Alamannien. Mochten die Alamannen immerhin den Bayern vorwerfen, daß ihren Dichtungen der Stempel höfischer Vollkommenheit fehle, mochte Gottfried von Straßburg über den großen Ungenannten, der nur Wolfram sein kann, als über einen „vindsere wilder msere, der msere wildersere“1) den Stab brechen: wir freuen uns, daß sich Wolfram gerade die Eigenschaft unverkümmert erhielt, die auch heute noch das beste Erbteil des bayerisch-österreichischen Stammes in seiner Unverbranchtheit ist, naturfrische Ursprüuglichkeit. Bon ihr beseelt und durchdrungen verzichtet Wolfram gern auf erkünstelten Ernst und erzwungene Würde, von ihr geleitet tritt er herzhaft an die Dinge heran, sieht und schildert er sie, wie sie sind: je bezeichnender der Ausdruck, je anschaulicher das Bild, desto lieber ist es ihm. Wohl streift er dabei gelegentlich die Grenze des ästhetisch Zulässigen, ja er überschreitet sie auch ab und zu, aber immer ist es frisch Pulsierendes Leben, das er uns bietet, nichts Totes, Erstarrtes, nichts Ausgeklügeltes, nur Erdachtes.
Aber derselbe Dichter, der so trefflich zu schildern versteht, er haftet nicht an der Außenseite der Diuge; derselbe Meusch, der so herzlich lachen kann, ist auch des tiefsten Ernstes fähig. Schon die Wahl des Stoffes zu seinem Hauptwerk Parzival, mehr noch dessen Ausführung zeigt, daß Wolfram eine religiöse Natur im besten Sinne des Wortes, d. h. ein Mensch durchdrungen vom Walten einer höheren Macht, aber frei von jeder ungesunden Welt- und Lebensflucht und fern von jeder kaltherzigen Verfolgungssucht war. Auch darin scheint uns der liebenswürdige Dichter ein echter Sohn des Bayernstammes zu sein, der sich durch die Jahrhunderte feiner Geschichte in menschlich-schöner Weise freigehalten hat von jeder Art von Zelotismus, aber stets ein tiefes Bedürfnis bekundete zu feinem Gott in einem herzlichen Verhältnis zu stehen. Darum konnte auch Wolfram die vielfach äußerlichen Geschehnisse seiner Vorlage in tiefere innere Beziehung zueinander setzen, das Ganze aus der Fülle seines Innenlebens bereichern und ihm eine Seele einflößen, so daß Wilhelm Scherer ihm gar wohl nachrühmen durste: „Ein fchriftnnknndiger
„Ein Erfinder befremdlicher Abenteuer, ein Geschichtenjäger.
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Extrahierte Personennamen: Wolfram Gottfried_von_Straßburg Wolfram Wolfram Wolfram Ernst Wolfram Wolfram Wilhelm_Scherer Wilhelm
134
27. Eine Festschule der Meistersinger.
Die Elemente beherrschet er all',
Des Feuers Wut, des Meeres Schwall.
Den Teufel malt er, die Hüll' und den Tod,
Das Paradies, die Engel und selbst Gott,
Das macht er durch Farben dunkel und klar Mit geheimen Künsten euch offenbar.
Das hebet sich mächtig durch die Schattierung Nach schön entworfener Visierung.
Er kann euch alles vor Augen bringen,
Nicht schöner möget ihr je es singen.
Wie muß er sinnen Tag und Nacht!
3n Traumgebilden sein Geist stets wacht.
Er ist an Phantasien reich
Und fast'dem kühnen Dichter gleich;
Um alle Dinge weiß er wohl,
Wie er sie alle bilden soll:
Wer zu allen Dingen hat Schöpferkraft,
Den rühmet die höchste Meisterschaft.
Trotz des Beifalls, den Hans Sachs von den Genossen davontrug, gab sich der Steinmetz noch nicht verloren; er begann wieder:
Du lobst den Maler mir zu sehr,
Der Steinmetz bringt uns Nutzen mehr.
Des Malers können wir entraten,
Er schafft von jedem Ding nur Schatten:
Sein gemaltes Feuer wärmt uns nicht,
Seine Sonne spendet nicht Schein noch Licht,
Sein Obst hat weder Schmack noch Saft,
Seine Kräuter nicht Duft und Heilungskraft,
Seine Tiere haben nicht Fleisch noch Blut,
Sein Wein verleiht nicht Freud' und Mut.
Wie er geendet, erhob sich Hans Sachs noch einmal leuchtenden Auges zur Lobpreisung der Malerei und eines längst dahingeschiedenen Freundes:
Das Sprichwort immerdar noch gilt,
Daß, wer die Kunst nicht hat, sie schilt.
Wie nützlich auch ist die Malerei,
So nenn’ ich euch jetzt nur der Dinge drei:
Was bewahrt die (Beschichte als teures Vermächtnis,
Das prägt sie uns ein in unser Gedächtnis:
Wie der Nürnberger Heer unter Schweppermann glänzte,
Wie den Dichter hier Kaiser Friedrich bekränzte.
Wer sich auch nicht aus die Schrift versteht,
Des Malers Schrift ihm nicht entgeht;
Er lehret, wie Bosheit uns Mißgeschick,
Wie Frömmigkeit bringet Ehr' und Glück.
Was verscheuchet mehr denn die Malerei Uns der Einsamkeit Tochter, die Melancholei?
Sie lichtet der düsteren Schwermut Schmerz,
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Extrahierte Personennamen: Hans_Sachs Hans_Sachs Friedrich Friedrich
109. Richard Wagners Berufung durch König Ludwig Ii.
527
Nach einigen Tagen setzt Wagner seine Reise nach Wien fort. .Was nur die verzweifelte Energie mit persönlicher Aufopferung hätte erreichen können,
ist nun zu ordnen ein leichtes Geschäft." Aus königlichen Mitteln bezahlt
der mit Haft Bedrohte seine beträchtlichen Schulden. Nach wenigen glücklichen Stunden im Freundeskreis kehrt er leichten Herzens in seine „neue, letzte Heimat" zurück um hier, „getragen von der göttlichsten Liebe, das wundervolle Glück zu genießen," das ihm sein Leiden geboren. —
„Eine ruhige, schöne Wohnung, ein Garten mit ein paar prächtigen,
alten Bäumen" war immer einer der Lieblingswünsche Wagners. Am 14. Mai bewillkommnet ihn im Auftrag des Königs v. Pfistermeister im Pelletschen Landhaus bei Kempfenhausen am lachenden Starnbergersee. Hier soll er ungestört ganz seiner Muse leben.
Sein Wonnegefühl jubelt aus folgendem Briefe an seinen Freund Weißheimer.1)
„Nur zwei Worte, um Ihnen das unbeschreibliche Glück zu bestätigen, welches mir zuteil geworden ist. Alles ist so eingetroffen, wie es sich schöner gar nie träumen ließ. Ich bin durch die Liebe des jungen Königs für alle Zeiten gegen jede Sorge geschützt, kann arbeiten, habe mich um nichts zu bekümmern; keinen Titel, keine Funktion, keine Art von Verpflichtung. Nur, sobald ich etwas von mir aufführen will, stellt mir der König alles, was ich irgend brauche, zur Verfügung."
„Der junge König ist für mich ein wundervolles Geschenk des Schicksals. Wir lieben uns, wie nur Lehrer und Schüler sich lieben können. Er ist selig mich zu haben und ich ihn ... . Er ist dabei so schön und tief, daß der Umgang mit ihm jetzt täglich hinreißend ist und mir ein völlig neues Leben gibt."
Am 25. August ist des Königs Geburts- und Namensfest. Wagner eilt zur Beglückwünschung nach Hohenschwangau. Als Geburtstagsgabe Überreicht der Meister den „Huldigungsmarsch", in dem er dem Gefühl der Dankbarkeit gegenüber seinem Genius begeisterten Ausdruck gibt, und mit dem im Jnli erschienenen Klavieransznge der „Walküre" folgende Widmung:
Dem königlichen Freunde.
O König! Holder Schirmherr meines Lebens! Du, höchster Güte wonnereicher Hort!
Wie ring' ich nun, am Ziele meines Strebens, Nach jenem deiner Huld gerechten Wort! In Sprach' und Schrift, wie such' ich es vergebens:
Und doch zu forschen treibt mich's fort und fort Das Wort zu finden, das den Sinn dir sage
Was du mir bist, kann staunend ich nur fassen, Wenn mir sich zeigt, was ohne dich ich war. Mir schien kein Stern, den ich nicht sah erblassen,
Kein letztes Hoffen, dessen ich nicht bar: Auf gutes Glück der Weltgunst überlassen, Dem wüsten Spiel auf Vorteil und Gefahr, Was in mir rang nach freien Künstlertaten,
Des Dankes, den ich dir im Herzen trage. Sah der Gemeinheit Lose sich t>erraten.
') Vom 20. Mai 1864.
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Extrahierte Personennamen: Richard_Wagners Ludwig_Ii Ludwig Wagner Wagners August Wagner
Extrahierte Ortsnamen: Wien Pelletschen_Landhaus Kempfenhausen Hohenschwangau
488
103. Eine Fußreise mit König Max Ii.
Der König war karg mit seinem Lobe; er erwartete aber auch von uns keine Schmeicheleien. Jener literarische Kreis zählte Männer genug, welche ihn in der Presse laut hätten lobpreisen können und die, was mehr ist, auch Geist und Geschick besessen hätten, ihn geschmackvoll zu preisen. Keiner von uns hat das getan und der König würde es auch von keinem begehrt haben. Das hätte auch dem ganzen Wesen unseres gegenseitigen Verhältnisses widersprochen: einen Gönner mag man öffentlich rühmen, einen treuen Freund rühmt man uur in der Stille.
Die historische Gestalt dieses so originalen und doch so zart und gemischt organisierten Fürsten läßt sich in folgenden kurzen Worten plastisch skizzieren:
König Maximilian förderte und ehrte Kunst und Wissenschaft, indem er mit Künstlern und Gelehrten arbeitete und lernte. Die Aristokratie des Geistes iland ihm höher als die Geburtsaristokratie. Seiner Natur nach ein humaner, aufgeklärter Absolutist, regierte er verfassungstreu und wurde zuletzt ein freisinnig-konstitutioneller Monarch aus Pflichtgefühl und Rechtssinn. Er zeigte die Liebe zu seinem Volke, indem er es mit rastloser Hingabe studierte und förderte und den eigenen Frieden an den Frieden mit seinem Volke setzte. König Max war nicht der letzten einer unter den eifrigen Hütern des guten deutschen Geistes in schwüler Zeit. Und wenn sich das bayerische Volk in den schwersten Stunden des Jahres 1870 als echt, treu und deutsch erprobt hat, wenn jetzt ein ganz anderer Geist im Lande weht als vor Jahrzehnten, wenn Bayerns Volk und Staat im neuen Deutschen Reiche eine würdigere und bedeutendere Rolle gewonnen haben als jemals im alten Deutschen Bunde, dann vergesse man angesichts alles dessen nicht, daß König Max es war, der mit redlicher, mühevoller Arbeit zu solchen Früchten den Boden bereiten half.
103. Eine Fuhreise mit König Max Ii.
Von Wilhelm Heinrich Riehl. *)
Es war am 4. März 1864, als König Max von Bayern die gelehrte Tafelrunde des sogenannten „Symposions" nach längerer Pause wieder einmal bei sich versammelt sah. In altgewohnter Weise hatten wir zuerst in dem traulichen, bildergeschmückten Rokokosaale der „ grünen Galerie" beim einfachsten Abendbrot und dampfender Zigarre den Vortrag eines poetischen Fragmentes angehört und von literarischen Dingen gesprochen, bis ein Wink des Königs das Zeichen zum Ausstehen gab und wir uns in das anstoßende Zimmer zum Billard verfügten.
Wir spielten meist sehr lässig; denn das Spiel sollte mehr nur den Anlaß bieten uns freier zu bewegen und in Gruppen zu unterhalten und der König liebte es, während der oft äußerst langen Pausen mit dem einen oder
l) Kulturgeschichtliche Charakterköpse, S. 245. Stuttgart 18993, Cotta.
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Extrahierte Personennamen: Max_Ii Max Maximilian Maximilian Max Max Max Max_Ii Max Wilhelm Heinrich_Riehl Heinrich Max_von_Bayern Max Cotta
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141. König Ludwigs Ii. Persönlichkeit.
Nun kann Sachs für feinen Schützling eintreten. Das ganze Volk, nicht mehr die Zunft allein soll Richter fein. Walter von Stolzing wird vorgerufen. Er fingt und jubelnd spricht ihm die Menge den Siegespreis zu. Aber noch immer nicht ist Sachs am Ziele angelangt. Der Ritter sträubt sich gegen die Aufnahme in die Meistergilde und neues Mißverständnis droht zu entstehen. Da ruft ihm Sachs mit tiefem Ernst die Mahnung zu: „Verachtet mir die Meister nicht und ehrt mir ihre Kunst." Nicht dürfe er eine Kunst gering schätzen, der er fein höchstes Glück verdanke, wenn sie auch nur eine Kunst von Bürgern und Handwerkern sei.
„Daß unsre Meister sie gepflegt Blieb sie nicht adlig, wie zur Zeit,
Grad' recht nach ihrer Art, Wo Höf' und Fürsten sie geweiht,
Nach ihrem Sinne treu gehegt, 3m Drang der schlimmen Jahr'
Das hat sie echt bewahrt: Blieb sie doch deutsch und wahr."
Und dieser treue Sinn der bürgerlichen Meister wird auch der deutschen Kunst und dem deutschen Geiste über alles Unheil und alle Bedrohung der nächsten Zukunft hinweghelfen. Sachs sieht es voraus:
„In falscher welscher Majestät Kein Fürst bald mehr sein Volk versteht; Und welschen Dunst mit welschem Tand Sie pflanzen uns in deutsches Land.
Was deutsch und echt, wußt' keiner mehr, Lebt's nicht in deutscher Meister Ehr'. Drum sag' ich euch:
(Ehrt eure deutschen Meister,
Dann bannt ihr gute Geister! — Und gebt ihr ihrem Wirken Gunst, Zerging' in Dunst Das heil'ge röm'sche Reich,
Uns bliebe gleich
Die heil'ge deutsche Kunst!
Begeistert stimmen Ritter, Meister und Volk mit ein in diesen stolzen Sang von deutscher Art und Kunst und jauchzend vereint sich alles in dem Rufe: „Heil Sachs! Hans Sachs! Heil Nürnbergs teurem Sachs!"
141. König Ludwigs Ii. Persönlichkeit.
Don Theodor Bitterauf.$)
Der König war eine wundervolle Erscheinung. Sein harmonischer Wuchs, sein dunkles Haar, fein blitzendes Auge gewannen ihm die Herzen, wo er sich zeigte. Aber die Zudringlichkeiten des Publikums waren ihm oft lästig. „Ich kann keine Illusion im Theater haben, solange die Leute mich unausgesetzt anstarren und mit ihren Operngläsern jede meiner Mienen verfolgen," klagte er nach einer Vorstellung von Goethes Iphigenie. „Ich will selbst schauen, aber kein Schauobjekt für die Menge sein." „Es verstimmt mich," meinte er ein andermal, „wenn ich meine harmlosen Liebhabereien an die große Glocke gehängt sehe und dieselben dann in gehässiger Weise kritisiert finde. Man hat
!) „Bayern als Königreich 1806—1906; hundert Jahre vaterländischer Geschichte", S. 182 ff. München 1906, Oskar Beck.
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41. Was uns die Nesidenzsassade Kurfürst Maximilians I. sagt. 223
Aber der Herrscher, der sich bieses Heim erbaut hatte, war ein katholischer Fürst, der mutige, aufopferungsvolle Vorkämpfer in den 30 Kriegsjahren für bei: alten Väterglauben, den er mit unerbittlicher Strenge seinem Volke erhalten wissen wollte — ein katholischer und ein altbayerischer Fürst. Daruin thront als geistiger Mittelpunkt der Fassabe an der Stelle, wo der welsche „Principe" wohl stolz das Wappenschilb seines Geschlechtes eingefügt hätte, in anmutiger Würbe das Stanbbilb der Himmelskönigin mit dem Jesnkinblem und als leiser, holber Beiklang die aus einem Engelreigen so entzückenb sich ent-wickelnbe Laterne für das „ewige Licht". Und über der Statue, dem ersten Denkmale jener zart sinnigen Mabonneuverehmng, der Maximilian später noch in der Münchener Marienfäule einen so volkstümlichen Ausbruck gab, halten zwei Himmelsknaben den in seinem bcmütigen Gottvertrauen für den kampferprobten Fürsten so bezeichneten Hausspruch: Sub tu um praesidium cenfugimus, sub quo secure laetique degimus, ober wie es der ehrenfeste Jurist Johannes Schmib int Jahre 1685 in deutschen Verslein wiebergnb:
Die sich dir ergeben,
In Sicherheit leben.1)
Es ist der uralte, so rührenb-schlichte Brauch des „Hausbilbes", der uus hier eut-gegentritt, des geschnitzten ober gemalten „Hans-patrones", dem man Sd)ntz und Wohlergehen der Heimstätte anvertraut, und es mutet wirklich Herzerwärmenb an in monumentaler Steigerung an dem Fürstenschlosse wieberzufinben, was selbst heute noch der beschcibensten Sölbnerhütte nicht fehlen bars, die vom einsamen Walbessaumc unseres Alpen-vorlanbes hinausblickt in die sdjweigenbe Bergeswelt.
Das ist der altbayerische Zug an unserer Resibenzsassabe.
*) Vgl. Jakobus Balde carrn. lyr. Qui Palatinae tua signa moli,
Virgo, praefixit, colit eminentem Non foris tantum sed et intus ipso in Pectore gestat.
Iv, 43:
Wer an seines Schlosses Portal dein Bildnis, Jnngsran, ausstellt, ehrt dich als seine Herrin Nicht nach außen nur, nein, er trägt dich tief im Innersten Herzen!
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Maximilians_I. Maximilian Maximilian Johannes_Schmib Jakobus_Balde
312 58. Gründung der Akademie der Wissenschaften zu München 1759.
reichs drang auch die Literatur jenes Landes über den Rhein. Statt der liederlichen und obszönen lyrischen Dichtungen und unflätigen Possen, statt der geschmacklosen, furchtbar langweiligen Romane und halbverrückten dramatischen Staatsaktionen eines Lohenstein, Hoffmannswaldau oder Ziegler, statt der „christlichen Handpistolen" und dem „geistlichen, Leib und Seele zusammenhaltenden Hosenträger" wurden Bossnet und Fenelon, Racine und Moliere, freilich auch Voltaire und die Enzyklopädisten, immer eifriger gelesen. Der Geschmack an den Werken der neuerwachten deutscheu Geistesbildung fand immer größere Verbreitung; aus Klopstocks Messias, aus Höltys und der Stolberge Schriften erkannte man hehren christlichen Sinn, glühenden Patriotismus. Lessings Minna von Barnhelm und Emilia Galotti erklärte der Kurfürst als seine Lieblingsstücke und seine Gemahlin hatte nicht verschmäht selbst als deutsche Schriftstellerin aufzutreten.
So vereinte sich alles um den Bemühungen jener Männer den Boden zu bereiten, deren Namen als die der Pioniere der neuerwachten Bildung in unserem Vaterlande in ewigem dankbaren Andenken bleiben werden. Der Bergrat Georg Lori, eines Bauern Sohn von Gründl bei Steingaden, ein Schüler des hochverdienten Jckstatt, der auch des Kurfürsten Lehrer gewesen, und der Münzrat Dominik Limbruu, dessen Vater Landgerichtsschreiber zu Viechtach war, sind die beiden, welche für den Ruhm glühten die Leuchte der Wissenschaft, die einst so hell in ihrem Vaterlande gelodert, wieder neu zu entzünden. Sie faßten den Entschluß gleichstrebende Geister ihrer Heimat zu einem gelehrten Vereine zu verbinden.
Am 12. Oktober des Jahres 1758 traten mit ihnen zuerst der Hosrat Stubenrauch, Advokat Bergmann, der Lehrer Stigler vom Kadettenkorps, Ministerialsekretär Lipowsky, dann die Benediktiner Döpsel, Amort und Goldhofer von Polling, Propst Innozenz und Leeb von Schlehdors, Kennedy von den Regensburger Schotten, Pfarrer Miedamer, die Augustiner Meyer und Mauz, der Theologieprofessor Huber und Wagenecker, des Herzogs Klemens Hofkaplan, zu jenen Zwecken zusammen. Der Bergwerkspräsident Graf S i e g m u u d von Haimhausen wurde zum ersten Präsidenten erwählt, der Minister Graf Törring und der Kanzler Kreittmayr für die edle Sache gewonnen.
Am 28. März 1759, seinem Geburtstage, unterzeichnete Max freudig bewegt die Stiftnngsurkunde und Statuten für die neue Akademie der Wissenschaften, die sich in zwei Klassen, eine historische und philosophische, teilte. Er verlieh ihr ein eigenes Siegel mit der Umschrift „Tendit ad aequum“ und die Selbstzensur für die Arbeiten ihrer Mitglieder, deren die junge Gesellschaft schon nach einem Jahre 96 zählte. Durch die öffentlich ausgesprochenen Worte: „Ohne Vaterlandsgeschichte keine Vaterlandsliebe", ermunterte er
besonders das Wirken der historischen Klasse. Kennedy, Braun, Osterwald und der Protestant Lambert wurden als Professoren an die neue Anstalt
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